Wie sauber sind Diesel wirklich?
auto motor und sport hat den Stickoxid-Ausstoß acht moderner Diesel auf der Straße von unabhängigen Experten messen lassen. Ein EA189-Schummeldiesel von VW war auch dabei. Das Ergebnis überrascht.
Nach Bekanntwerden der VW-Manipulationen beim Stickoxidausstoß wollten wir endlich Klarheit haben. Wir wollten wissen, ob der Dieselmotor generell in der Realität ein so massives Stickoxid-Problem hat, dass er nicht zukunftsfähig ist. Nachdem sich deutsche Prüfinstitute lange gescheut hatten, mit uns Autos unter realen Bedingungen zu messen, konnten wir das auf Abgastests spezialisierte Unternehmen Emissions Analytics aus England als Partner gewinnen. Emissions Analytics misst seit Jahren in den USA und Großbritannien CO2- und NOX-Werte auf der Straße, hat bereits 1.000 Fahrzeuge im Fahrbetrieb getestet und verfügt damit über einen großen Erfahrungsschatz. Das ganze Testergebnis lesen Sie im neuen auto motor und sport (Heft 25/15 ab 26. November am Kiosk) - oder als E-Paper im Download hier.
Abgastest auf der Straße unter Realbedingungen
Was haben wir gemacht? Gefahren wurde auf der auto motor und sport-Eco-Verbrauchsrunde. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Autobahn (130 km/h), Landstraße (80 km/h) und Stadtverkehr, die so sparsam wie möglich gefahren wird. Wir messen bereits seit fast zwei Jahren jeden Testwagen so. Bislang lagen gut 70 Prozent der Fahrzeuge über der offiziellen Normverbrauchsangabe (NEFZ), 30 Prozent darunter. Übrigens: Die auto motor und sport-Verbrauchsmessung mit Sportfahrer-, Eco- und Testkonsum ist weltweit anerkannt und wird nach dem VW-Skandal nun auch von anderen Autozeitschriften adaptiert.
Die Abgasmessung erfolgte mit einem sogenannten PEMS (Portable Emissions Measurement System)-Gerät, das am Heck des Fahrzeugs befestigt wird (siehe Bildergalerie und Video). Zum Test traten acht Dieselfahrzeuge an, sieben von ihnen aktuelle Modelle mit der Abgasnorm Euro 6 sowie ein Audi Q3 mit dem von VW per Software manipuliertem EA-189-Motor. Als weiteres Referenzfahrzeug testeten wir einen Ford Mondeo mit Turbobenziner. Die EU will ab 2018 bei Straßentests lediglich eine Abweichung um das 2,1-Fache des Normwertes aus dem Labor erlauben. Die überwiegende Mehrheit der getesteten Fahrzeuge lag deutlich darüber.
Messungen von Emissions Analytics: Ausgerechnet VW am saubersten
Ansonsten brachte Deutschlands erster unabhängiger NOx-Test im Fahrbetrieb nach dem VW-Skandal ein völlig überraschendes Ergebnis. Obwohl alle Testwagen auf der bekannten auto motor und sport-Eco-Runde defensiv gefahren und nur sanft beschleunigt wurden, haben alle die geplanten gesetzlichen Grenzwerte zum Teil erheblich überschritten. Mit einer Ausnahme: Völlig unerwartet wurde der VW Golf Testsieger. "Dass ausgerechnet ein Diesel von VW mit Abstand am wenigsten Stickoxide emittiert, ist die wohl größte Überraschung unseres NOx-Tests unter Realbedingungen“, sagt Jens Katemann, Chefredakteur von auto motor und sport. Der VW Golf überschreitet den zulässigen Euro-6-Grenzwert von 80 mg NOx pro Kilometer, der unter optimalen und unrealistischen Bedingungen auf dem Prüfstand ermittelt wird, nur um das 1,9-fache. Das bedeutet: Der Zweiliter-TDI hat auf der ams-Teststrecke im echten Verkehr im Schnitt 148 mg NOx pro Kilometer ausgestoßen. Selbst wenn der strenge Straßentest 2018 eingeführt wird, der ein Überschreiten der Laborwerte im Fahrbetrieb um das 2,1-fache erlaubt, bleibt der Golf als einziger Diesel im Test noch im Rahmen der künftigen zulässigen Werte.
Die teilweise enormen Abweichungen der anderen Testkandidaten im Alltagsverkehr haben uns doch überrascht. Der schlechteste Euro-6-Diesel im Test, ein Fiat 500X mit 1,6-Liter-Motor, stößt im Verkehr 845 mg pro Kilometer aus. Das ist fast sechsmal so viel wie der Golf. "Dass ein Kompaktauto wie der Fiat 500X auf der Straße etwa zehnmal so viel NOx ausstößt wie der Euro-6-Grenzwert erlaubt, hätten wir nicht gedacht“, so Jens Katemann.
Große Unterschiede beim NOx-Ausstoß
Nicht ganz so hoch sind die Abweichungen der getesteten Dieselmodelle von BMW, Opel und Volvo. Fünfmal so hoch wie erlaubt sind die Abgaswerte beim einzigen Euro-5-Diesel im Test, dem Audi Q3, der mit dem Skandal-Motor EA189 ausgestattet ist. Gut schlugen sich die Dieselmodelle von Mercedes und Mazda, deren NOx-Werte "nur“ wenig über dem künftigen Grenzwert für Straßentests liegen.
So haben die Experten gemessen
auto motor und sport hat alle Testwagen im Serienzustand geprüft, ist mit dem empfohlenen Luftdruck und einer auf 22 Grad eingestellten Klimaanlage gefahren. Für jedes Auto fertigten die Profis von Emissions Analytics eine Kunststoffzuleitung an, die vom Auspuff in ein waagrechtes Metallrohr mündet. Dort zweigt ein Ventil einen kleinen Teil der Abgase ab, der zunächst getrocknet und dann über einen auf 190 Grad beheizten Schlauch zum Analysegerät auf der Rückbank geführt wird.
Der Analyzer, der vor jeder Fahrt mit einem Kalibriergas geeicht wird, untersucht die Abgase mittels verschiedener Verfahren. Bei einem davon werden die Stickoxide dem Gas Ozon ausgesetzt, auf das sie reagieren; infolgedessen senden sie einen Lichtimpuls aus. Je mehr Licht der Analyzer misst, desto höher sind die Stickoxid-Konzentrationen. Nach dem Messvorgang gelangen die Abgase über einen dünnen Schlauch wieder zurück ins Freie. Das Analysegerät sendet seine Rohdaten an einen Laptop, wo sie von einer Spezialsoftware unter der Berücksichtigung von Begleitparametern wie Außentemperatur, Luftdruck oder –feuchtigkeit abgeglichen und ausgewertet werden. Hierbei lassen sich auch Regenerationszyklen des Partikelfilters erkennen und herausrechnen, da sie die Vergleichbarkeit der Ergebnisse verfälschen. Die Messfahrt wird immer per GPS und Videokamera aufgezeichnet.
Die vollständigen Ergebnisse des ersten unabhängigen NOx-Testes im Fahrbetrieb in Deutschland mit den Teil-Ergebnissen im Stadtverkehr, auf der Landstraße und Autobahn veröffentlicht auto motor und sport in seiner Ausgabe 25, die ab dem 26. November im Handel ist. Das Heft ist auch als E-Paper erhältlich.